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aAlternativen zur Ausgestaltung und Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum 

Ein Beispiel aus der Justizvollzugsanstalt Büren

 

Thomas Bongartz

 

Im Jahre 2002 fand sich eine Arbeitsgruppe aus Beamten des Allgemeinen Vollzugsdienstes zusammen um alternative Möglichkeiten zur Ausgestaltung des besonders gesicherten Haftraums(BgH) zu erarbeiten. In § 88 im Strafvollzugsgesetz findet sich als besondere Sicherungsmaßnahme die Grundlage für die Unterbringung eines Gefangenen im BgH. Gegen einen Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahme angeordnet werden, „wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maße Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht“.

 

Bereits seit Gründung der Justizvollzugsanstalt Büren machen sich die Mitarbeiter der verschiedenen Beschäftigtengruppen Gedanken zu Vermeidungsstrategien für die Unterbringung in diesem speziellen Haftraum. Zum Einen wird durch Bewusstseinsänderung beim Personal durch Aufklärung, Schulung und Erlernen von Strategien zur Erhöhung der Frustrationstoleranz die Anzahl der BgH-Verbringungen gesenkt, zum Anderen kann durch bauliche Veränderung auf den Abteilungen die Zahl der Verbringungen gesenkt werden. Auch die Ausbildung von einzelnen Bediensteten zum Mediator (Vermittler) wirkt sich positiv im Umgang miteinander aus. Insgesamt ist aber das allgemeine Anstaltsklima ein Anhaltspunkt für die Anzahl der Unterbringungen im BgH. Natürlich ist in diesem Zusammenhang auch über die durch moderne Personalführung zu beeinflussenden Umstände nachzudenken.

 

Als eine Lösung zwischen normalem Haftraum und BgH wurde in der JVA Büren auf jeder Abteilung ein sogenannter Schutzraum, einem Arrestraum ähnlich, eingerichtet. Hier werden Gefangene untergebracht bei denen die Gefahr der Selbstverletzung oder die Gefahr der Gewalt gegen Personen bzw. Sachen besteht. Arreststrafen werden hier nur in Ausnahmefällen vollstreckt. Wie im BGH werden auch hier die Gefangenen vorher nach verbotenen Gegenständen durchsucht und umgekleidet. Die Räume sind mit möglichst stabilen Mobiliar ausgestattet und enthalten ein aus Stahl gefertigtes, am Boden befestigtes Bett. Die dazugehörige Schaumstoffmatratze ist mit einem Gummiüberzug als Schutz gegen Verschmutzung bezogen. Ein Stahlschrank mit offenen Ablagefach für persönliche Dinge und ein Fernseher, der hinter einer speziellen Plexiglasscheibe untergebracht ist, gehören zu den weiteren Ausstattungsgegenständen. Der Insasse kann das Radio durch eine Schraube in der Wand die Lautstärke beeinflussen. Ein Tisch aus Stahl, fest mit der Wand verschraubt, gibt dem Gefangenen die Möglichkeit, sein Mittagessen, auf einem Schaumstoffwürfel sitzend, einzunehmen. Eine aus Edelstahl bestehende Kombination von Waschbecken und Toilette runden die Einrichtung ab. Bis auf diese Kombination ist alles Marke Eigenbau und speziell von Mitarbeitern entwickelt und in der JVA Bielefeld-Senne gebaut worden. Alles ist so angebracht.oder mit runden Kanten versehen, dass eine Anbringung von Strangulierungshilfen erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. Auch für das Fenster wurde ein neuer Weg beschritten. Es lässt sich nur mittels einen speziellen Griffstücks öffnen, der nach dem Öffnungs- und Schließvorgang jeweils entfernt werden kann und dann im Abteilungsbüro hinterlegt wird. Als Belüftung ist ein Ventilator in der Außenwand eingebaut, der jeweils vom Gefangenen selbst eingeschaltet werden kann. Als Beleuchtung dient eine Lampe, die zusätzlich eine Dauerbeleuchtung enthält, die nur von Außen geschaltet werden kann. Eine zusätzliche Klappe in der Haftraumtür ermöglicht die Sichtkontrolle durch eine Scheibe.

Der in diesem Schutzraum untergebrachte Gefangene soll möglichst an allen Veranstaltungen der Abteilung teilnehmen. Er wird dann jeweils wieder umgekleidet und danach durchsucht. Die Räume liegen in der unmittelbaren Nähe der Abteilungsbüros. So ist die Möglichkeit gegeben, sich häufig mit den Gefangenen zu beschäftigen und ihn besonders zu betreuen oder zu beobachten. Der Fernseher dient dazu, den Schutzraum möglich der allgemeinen Ausstattung der Hafträume anzupassen, damit ein Bestrafungscharakter durch die Verlegung auf diesen Raum vermieden wird.Zusätzlich zum Schutzraum gibt es auf jeder Abteilung normale Zellen, die mit einem Fenster und einer Klappe zum Verschließen des Fensters in der Tür ausgestattet sind. Dort sind dann Beobachtungen leichter möglich. Die Klappe ist gegen unbefugtes Öffnen gesichert.

Trotz aller Vermeidungsstrategien ist letztlich eine Unterbringung von einzelnen Gefangenen im BgH nicht immer zu vermeiden. Aber auch für diesen Fall gibt es wieder Möglichkeiten, die Aufenthaltsdauer des, sich in einer besonderen Stresssituation befindlichen, Gefangenen im BgH zu verkürzen.

 

Kann man einen Gefangenen, der sich in einer psychischen Ausnahmesituation befindet und nur noch wenig auf äußere Einflüsse reagiert, überhaupt noch so beeinflussen, dass eine positive Verhaltensänderung eintritt?  Stresshormone werden vom Körper erzeugt und der Herzschlag und Blutdruck erhöht sich. Die Ansprechbarkeit des Menschen nimmt drastisch ab und er lässt sich durch Worte nicht mehr beruhigen. In dieser Situation muss man sich vorstellen, auf welche Reize der Mensch normalerweise reagiert. Eine Vielzahl von akustischen, visuellen und durch die Haut fühlbaren Reizen erreichen den Menschen täglich. Diese Reize bestimmen sein Verhalten und sein Wohlbefinden.

 

Im Allgemeinen handelt es sich bei einem BgH um einen über zwei Etagen gehenden Raum, der schlicht in Weiß gehalten ist. Eine im Boden eingelassene Stehtoilette als Sanitäreinrichtung sowie eine gummigeschützte Schaumstoffmatratze sind als wenig freundliches Ambiente vorhanden. Es erfolgt eine ständige Überwachung durch eine Kamera in der Decke. Die Bediensteten betreten den Raum durch zwei Türen möglichst gleichzeitig und versorgen den Gefangenen mit Getränken im Plastikbecher. Das Essen wird auf Einmalgeschirr aus Plastik serviert und wird mit Plastikbesteck eingenommen. Eine Fußbodenheizung sorgt für Wärme, denn der Gefangene trägt in der Regel nur einen Schlafanzug.

 

Welche Hilfsmittel können dazu dienen  Reize auf einen Menschen auszuüben und damit sein Verhalten gewünscht zu verändern? Werden in Krankenhäusern die Patienten nur fixiert oder durch Medikamente zur Beruhigung gebracht? Eine Arbeitsgruppe des Allgemeinen Vollzugsdienstes hat sich mit dem Thema „  alternative Ausgestaltung der BgH“ ausführlich beschäftigt. Dazu wurden unter anderem Informationsbesuche in anderen Einrichtungen, wie unterschiedlichen psychiatrischen Krankenhäuser und Einrichtungen der Jugendpflege durchgeführt. Die dort gewonnenen Erkenntnisse wurden in dem anschließend beschriebenen Projekt eingebracht.

 

Zunächst hat sich die Bürener Arbeitsgruppe über beruhigende Farbanstriche informiert. Nach der psychologischen Farbenlehre gibt es Farben, die anregend oder beruhigend wirken.  Man hat sich hier für einen Anstrich in Wellenform in drei verschiedenen Braunstufen entschieden. Eine schnell reagierende Pumpe für die Fußbodenheizung ist erforderlich, um möglichst schnell nach der Verbringung eine wohnliche Wärme zu erzeugen. Die farbliche Ausgestaltung lässt sich überall kostengünstig und mit eigenem Personal durchführen. Die weiteren in Büren durchgeführten Veränderungen sind aufwendiger und dadurch auch kostspieliger.

 

Ein akustischer Reiz kann durch die Installation von Lautsprechern erzeugt werden. Über einen DVD-Player lassen sich CD’s mit Meeresrauschen, Walgesängen oder anderen beruhigenden Geräuschen leise abspielen. Die Lautsprecher müssen durch Gehäuse vor Beschädigungen und Verunreinigungen geschützt sein und werden an der Decke angebracht.

Um auch einen optischen Reiz auszuüben, hat man sich in der JVA Büren zur Installation eines Projektors mit einer sich langsam drehenden Farbscheibe entschlossen. Die Seite der Wand auf die das Bild projiziert wird, ist kreisrund durch eine weiße Fläche markiert. Die Farben der Scheibe verlaufen durch die ständige Drehung ineinander und erzeugen dadurch immer neue Gebilde an der Wand. Diese Projektion wirkt beruhigend auf den Menschen und bewirkt dadurch eine positive Reaktion des sich im BgH befindlichen Gefangenen. Die Verweildauer in BgH wird dadurch in der Regel erheblich reduziert. Kritischen Besuchergruppen wird damit einiges an Argumenten gegen die Unterbringung im BgH genommen.

 

Eine häufige Kontrolle, ob die Unterbringung noch gerechtfertigt ist, wird natürlich durchgeführt und ist ebenso selbstverständlich, wie eine anschließende Prüfung, ob die Verbringung wirklich notwendig war oder es andere Alternativen gegeben hätte. Die Entscheidung über die Verbringung ist mit den Beteiligten zu besprechen. Dabei ist es vollkommen selbstverständlich, dass es keine Toleranz oder gar Akzeptanz bei offensichtlich falschen Entscheidungen geben kann.

 

Nun wird der geneigte Leser sicherlich gespannt sein über die Erfahrungen mit diesem alternativen BgH zu erfahren. Seit Fertigstellung dieses Raums sind nur wenige Gefangene dort untergebracht worden. Zum Einen lässt sich das mit einer veränderten Belegungssituation erklären. Aber auch, dass die Bediensteten sich mit der Erarbeitung von Vermeidungsstrategien beschäftigt haben, hat bereits einen positiven Effekt auf die Unterbringungszahlen bewirkt. Ein Umdenken der Mitarbeiter ist erfolgt. Nicht der Bedienstete ist besonders angesehen, der die meisten Verbringungen vorzuweisen hat, sondern der, dem es gelingt mit möglichst wenigen Verbringungen und Disziplinarverfahren seine Abteilung unauffällig und menschlich zu leiten. Es ist eine hohe Kunst auf Gefangene nur mit Worten und durch die eigene Persönlichkeit positiv einzuwirken. Diese Kunst gilt es zu erlernen und zu vervollkommnen. Das unterscheidet unsere Berufsgruppe von „Wärtern“ und „Schließern“ und macht sie zu angesehenen Vollzugsbeamten.

 

 

 

Thomas Bongartz                                         Justizvollzugsamtsinspektor

                                                                      Justizvollzugsanstalt Büren

                                                                      Stöckerbusch 1

                                                                      33142 Büren

 







 
     
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