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Eine islamische Hochzeit in der Justizvollzugsanstalt Büren

 

Thomas Bongartz

 

Bei der Justizvollzugsanstalt Büren handelt es sich um eine Anstalt die ausschließlich der Unterbringung von Abschiebungsgefangenen dient. Die Anstalt liegt mitten in einem Waldgebiet auf dem Gelände einer früheren Natokaserne, etwa acht Kilometer von der Stadt Büren entfernt in Ostwestfalen. Etwa zehn der Abschiebungsgefangenen nutzen pro Jahr noch die letzte Möglichkeit vor der Abschiebung sich hier an einen Partner zu binden. Diese Trauungen nach  deutschen Recht werden regelmäßig durchgeführt. Sie haben zur Folge, dass der Gefangene nach einer Wiedereinreisesperre von mehreren Monaten, wieder legal im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik einreisen darf. Hochzeiten nach religiösem Ritus sind in der Justizvollzugsanstalt Büren jedoch äußerst selten und haben nur indirekt einen Einfluss auf eine Wiedereinreise.

 

Für den 11.03.2004 um 14.00 Uhr war eine Hochzeit nach islamischen Ritus vorgesehen und mit den Beteiligten abgesprochen. Die Braut war türkischer Abstammung und hier in Deutschland aufgewachsen, während der Bräutigam Algerier ist. Beide verständigten sich in Deutsch. Ich habe den Eindruck, dass es sich um eine Hochzeit aus Liebe handelt, denn die beiden scheinen miteinander vertraut und sehen sich verliebt an!

 

Da man nicht alle Formalitäten alleine organisieren und abarbeiten kann, hat mich die Kollegin des Allgemeinen Vollzugsdienst bei der Durchführung der Feier unterstützt. Ein weiterer Kollege, Sozialbetreuer von European Home Care, war als Gast des Bräutigams bei der Hochzeitsfeier anwesend.

Im Vorfeld war der Mehrzweckraum feierlich hergerichtet worden, in dem die Tische mit Tischtüchern und Blumenschmuck versehen wurden. Die Schlossküche hatte Schwarzen Tee und spezielle Torten geliefert. Die Torten durften kein Lezithin, Gelatine oder tierische Fette enthalten und wurden von der Braut bezahlt.

 

Der Bräutigam wurde rechtzeitig auf der Kammer mit seinem Hochzeitsanzug versehen und in den Mehrzweckraum geführt. Ich wartete derweil auf eine Nachricht der Pforte, dass die Besucher eintrafen. Immer mehr Zeit verging, ohne dass es Anzeichen für das Eintreffen der Hochzeitsgesellschaft gab. Nach etwa 1 ½ Stunden des Wartens versuchten wir telefonischen Kontakt mit der Braut zu bekommen. Aber leider war ihr Handy ausgeschaltet und auch sonst niemand zu erreichen.

Gegen 16.00h kamen dann endlich die Gäste. Es waren insgesamt 15 Personen, da die Braut alleine schon zehn Geschwister hatte und auch niemand von der Feier ausgeschlossen werden sollte. Sie brachten laut Absprache Blumen mit und natürlich ohne Absprache kleine Hochzeitsgeschenke. Auch kam ein Hodscha (Imam) mit, der später dann die religiösen Formeln der Feier ohne Hilfe von Vordrucken aus dem „ Kopf „ heraus sprach. Er hatte einen grauen Vollbart und sah schon respektvoll aus.

 

Im Mehrzweckraum Angesprochen bedankte sich der Brautvater für die Möglichkeit der Hochzeit, da es ihm und seiner Familie sehr wichtig war, die Zeremonie durchzuführen. Es sei für einen islamischen Vater die höchste Ehre, wenn seine Tochter als eine Jungfrau in die Ehe mit einem Moslem geht.

Vor der eigentlichen Zeremonie handelte der Brautvater mit dem Bräutigam unter Aufsicht und mit Zustimmung des Imam den Brautpreis aus. Es wurde dazu ein islamischer Heiratsvertrag ausgefüllt, der nach der Trauung von allen unterschrieben werden musste. In unserem Fall muss der Bräutigam im Falle einer Scheidung den Betrag von 8.000,-€ oder den Wert von sechs Kilo Gold bezahlen. Soviel ist seine Braut, aufgewogen in Gold Wert! Das ganze ist Vergleichbar mit einem Versorgungsausgleich bei uns

 

Der Brautvater lenkte seine Familie freundlich aber bestimmt bei dieser Feier und man konnte spüren, dass die Kinder Respekt vor ihrem Vater hatten. Die Frauen trugen bis auf die Braut farbige Kopftücher. Die Braut selbst legte erst zur Hochzeitszeremonie ein schwarzes Kopftuch um, unter dem die schwarzen Haare sorgfältig, unter Mithilfe einer Schwester, versteckt wurden.

Die Zeremonie begann mit dem gemeinsamen Gebet der zukünftigen Eheleute mit ihren Trauzeugen. Pro Ehepartner werden zwei muslimische Männer als Zeuge der Trauung benötigt. Ersatzweise können jeweils an die Stelle eines Mannes zwei Frauen treten. Der Imam befragt die Verlobten jeweils in einer vorgeschriebenen Formel. Diese Formel und die Beantwortung der Hochzeitsfrage muss jeweils drei Mal wiederholt werden, um gültig zu werden. Ein abschließendes Gebet, in dem Gott um wohlwollende Zustimmung gebeten wird, rundet die Zeremonie ab.

 

Die Männer beglückwünschen nun den Ehemann und die Frauen die Ehefrau. Auch der Brautmutter wurde gratuliert und ihr wurden Ehrenbezeugungen entgegengebracht, in dem die Frauen ihr die rechte Hand küssten und ihren Kopf verneigten. Nun mussten alle Trauzeugen, die Brautleute und der Imam den Hochzeitvertrag unterzeichnen. Durch die Hochzeit wird die Braut in den Kreis der erfahrenen Frauen aufgenommen und genießt den besonderen Schutz und Respekt der muslimischen Gemeinschaft.

 

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Auf einem, mit Perlen versehenen weißen Kissen, dass extra von der Braut für diese Hochzeit angefertigt wurde, liegen die Eheringe.

Beide Ringe sind durch ein rotes Band miteinander verbunden und eine der Brautschwestern überwacht das gegenseitige Anstecken der Ringe. Der Imam spricht eine Formel und mit einer Schere soll nun das Band durchtrennt werden. Aber leider ist die Schere stumpf und kann erst durch die Zusage des Brautvaters, 50,-€ zu bezahlen, geschärft werden. Nun endlich lässt sich das Band von der Brautschwester durchtrennen und die Eheleute sind durch die Ringe vereint. Das Ganze wird mit viel Spaß und Gelächter begleitet und gibt nach dem feierlichen Teil der Hochzeit einen freudigen Ausklang. Die Geschenke werden an die Brautleute übergeben und später von der Frau wieder mit aus der Anstalt genommen (zuviel Reisegepäck!).

 

 

Der Brautvater zeigt sich stolz mit den Eheleuten und dem islamischen Ehevertrag noch einmal zum Fotografieren. Nun nimmt die Hochzeitsgesellschaft an der Tee- (Kaffee) Tafel Platz und es wird der Kuchen und Kaffee angeboten. Das frisch getraute Paar nimmt nebeneinander Platz und darf nun auch öffentlich Händchen halten.

 

 

Nach etwa 1,5 Stunden wird das Fest beendet und die Festgesellschaft zur Pforte begleitet. Vorher verabschieden sich alle voneinander, denn der Gefangene wird wohl nach Algerien abgeschoben und kann daher seine neue Familie erst zu einem späteren Zeitpunkt wiedersehen. Eine der Brautschwestern weint und ist stellvertretend für die Braut unglücklich über die Umstände dieser Heirat. Man hatte sich wohl einen anderen Ort für den wichtigsten Tag im Leben einer Frau gewünscht

 

Der Brautvater und die Ehefrau bedankten sich nochmals für unser Entgegenkommen und waren erstaunt über unseren Service. Das hatten sie nicht erwartet!

Ich freute mich über die Möglichkeit, alles fotografieren zu dürfen und über die offene, freundliche Art der Familie. Wieder konnten wir neue Erfahrungen im Umgang mit der fremden Religion „ Islam „ machen, die uns helfen, Verständnis für andere Menschen zu haben oder zu bekommen.

  Vielen Dank für Ihr Interesse!

 
     
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