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Abschiebehaft einmal anders?

 

Die Justizvollzugsanstalt Büren stellt sich vor

 

 

Thomas Bongartz

 

 

1. Einleitung

Die Justizvollzugsanstalt Büren ist ausschließlich für die Durchführung der Abschiebehaft an männlichen Gefangenen  mit dem Mindestalter von 16 Jahren zuständig. Sie ist die bundesweit größte Anstalt ihrer Art und kann bis zu 530 Abschiebegefangene beherbergen. Bei den eingelieferten handelt es sich meist um abgelehnte Asylbewerber oder sich illegal in Deutschland aufhaltende Ausländer. Nur einen geringen Anteil machen straffällig gewordene Menschen aus. Die Gefangenen sind in den ehemaligen Mannschaftsunterkünften einer Natokaserne untergebracht. Die Anstalt liegt mitten im Wald, in der Nähe der ostwestfälischen Kleinstadt Büren, am Rande des Sauerlands.

2. Die Aufnahme

Da viele Abschiebungsgefangene durch den langen Anreiseweg erst am frühen Abend in der Anstalt eintreffen und damit außerhalb der Verwaltungsdienstzeit, musste eine Lösung für die Aufnahme der Daten der Gefangenen in den Computer gefunden werden. Die Bediensteten des Allgemeinen Vollzugsdienstes  wurden in der Aufnahme von Daten ausgebildet und arbeiten nun im Schichtdienst als Aufnahmebeamte in der Vollzugsgeschäftsstelle und überwachen gleichzeitig die Umkleidung von Zugängen. Zusätzlich ist eine Verwaltungsangestellte für die Eingabe und Überwachung von Daten und Terminen zuständig. Somit stehen alle Daten des Gefangenen bereits kurze Zeit nach Eintreffen in der Anstalt allen Dienststellen der Anstalt zur Verfügung. Der Aufnahmebeamte kann auf Formulare mit den zunächst wichtigsten Fragen in der Landessprache des Gefangenen zurückgreifen. So ist bereits hier eine Kontaktaufnahme möglich, auch wenn man die Sprache des Gefangenen nicht spricht. Da sich stets Gefangene aus bis zu sechzig verschiedenen Nationen in der JVA Büren befinden ist gerade die Kommunikation wichtig.

Eine erste Einschätzung der Suizidgefahr bei dem Gefangen wird vom Aufnahmebeamten  getroffen und im Aufnahmegespräch festgehalten. Eine weitere Hilfe bei der Kontaktaufnahme ist die Sprachvielfalt der Sicherungskräfte. Diese Mitarbeiter eines Privaten Sicherheitsunternehmens werden oftmals gezielt nach ihren Sprachkenntnissen eingestellt. Unter ihnen befinden sich viele Spätaussiedler, deren Kenntnisse besonders hilfreich im Umgang mit osteuropäischen Gefangenen sind. Auch lernen wir Staatsbedienstete durch den täglichen Kontakt mit unseren ausländischen Kollegen viel von deren religiösen und kulturellen Eigenarten und dadurch schließlich einen unverkrampften Umgang mit Nichtdeutschen!

 

Nach der Aufnahme des Gefangenen in der Vollzugsgeschäftsstelle wird dieser in der Kammer gründlich durchsucht, geduscht und mit frischer Wäsche ausgestattet. Da die Kammer direkt neben der Vollzuggeschäftsstelle untergebracht ist, wird die Umkleidung der Gefangenen durch den Aufnahmebeamten überwacht, aber von Mitarbeitern eines privaten Sicherheitsunternehmen durchgeführt. Der Gefangene kann auf Wunsch seine eigene Bekleidung tragen und auf der Kammer Zigaretten und Telefonkarten erwerben. Nach Durchführung aller Formalitäten wird der Gefangene durch eine Sicherungskraft zur Krankenstation begleitet.

 

 

3. Die Krankenstation

Unsere Krankenstation bietet Platz für sechs Gefangene und ist rund um die Uhr mit ausgebildeten Krankenschwestern- bzw. Pflegern eines Privatunternehmens besetzt. Zusätzlich sind dort Beamte im Krankenpflegedienst und ein Anstaltsarzt im Tagesdienst eingesetzt. Jeder Zugang wird noch am Tage seiner Ankunft den Mitarbeitern dort vorgestellt, um sofort auf akute Gesundheitsprobleme reagieren zu können. Da auch hier Mitarbeiter ausländischer Herkunft eingesetzt sind, werden sprachliche Barrieren in der Regel schnell überwunden. Auch hier sind Fragebogen in der Landessprache hilfreich für die Abfrage von Routinedaten. Für komplizierte Sachverhalte oder die genaue Feststellung von Diagnosen werden kurzfristig Dolmetscher, nicht nur vom Krankenpflegedienst, über ein  Übersetzungsbüro bestellt. Die Befragung durch die Mitarbeiter ersetzt natürlich nicht die Zugangsuntersuchung durch den Arzt. Dieser hält regelmäßig Sprechstunden ab und veranlasst die notwendigen Untersuchungen in einen nahegelegenen Krankenhaus der Stadt Büren oder im Justizvollzugskrankenhaus Fröndenberg. Bei Bedarf werden für Einzelfälle Psychologen und Psychiater durch den Anstaltsarzt oder in Absprache mit den Betreuern bestellt. In der Krankenabteilung wird auch der Entzug von Drogen medizinisch begleitet. Immer mehr Menschen kommen mit Krankheitsbildern wie Hepatitis, HIV oder Aids in die Anstalt. Ein Bluttest wird dafür angeboten und auf Wunsch durchgeführt. Eine entsprechende Beratung im Krankheitsfalle ist dabei selbstverständlich. Da auch vermehrt Tuberkuloseerkrankungen auftreten, werden alle Zugänge geröntgt und auf diese Symptome hin untersucht.

4. Die Zugangsabteilung

Nach der medizinischen Zugangsbefragung wird der Abschiebungsgefangene durch eine Sicherungskraft zur Zugangsabteilung begleitet. Dort werden zunächst die Grundbedürfnisse des Gefangenen, wie Hunger und Durst befriedigt. Bei Tee und Gebäck wird in einer möglichst entspannten Atmosphäre ein Zugangsgespräch durch den Beamten der Zugangsabteilung durchgeführt. Ziel dieses Gesprächs ist es, weitere Informationen und Einblicke in den seelischen Zustand des Gefangenen zu bekommen, um bei Suizidgefahr geeignete Maßnahmen einzuleiten. Die Einlieferungspapiere enthalten in der Regel wenig persönliche Informationen über den eingelieferten Menschen. Weder das angegebene Alter , noch Herkunftsland oder der Name müssen stimmen. Auch wird den Gefangenen die Angst vor der meist ungewohnten Situation der Haft genommen, wenn das weitere Verfahren erklärt und jedem die Möglichkeit gegeben wird, seine Angehörigen über den Aufenthaltsort zu benachrichtigen. Aus ihren Heimatländern wissen die Inhaftierten, wie man dort mit Gefangenen umgeht, deshalb sind sie zunächst ängstlich und verschlossen. Erst wenn sie einige Tage in unserer Einrichtung verbracht haben legt sich das Misstrauen und ein lockeres Vertauensverhältnis entwickelt sich.

 

Der Beamte der Zugangsabteilung trifft bereits Feststellungen ob besondere Hilfen z.B. bei der Beschaffung von Habe oder ob die Vorstellung beim Psychologen notwendig ist. Die entsprechenden Stellen können dann informiert werden und unverzüglich tätig werden. Die Probleme der Einzelnen sind so vielfältig, wie die Länder aus denen sie kommen. Einige verzögern durch die gezielte Falschangabe von persönlichen Daten die Beschaffung von Rückkehrpapieren durch die Ausländerbehörden. Andere wollen, durch die Haft beeindruckt, nun schnell ausreisen und benötigen Hilfe bei der Wiederbeschaffung von Passpapieren. Wieder andere versuchen im langwierigen Rechtsweg ihr Glück oder versuchen durch eine Heirat ihre Abschiebung zu verhindern. Auch gesundheitliche Gründe werden ins Feld geführt um Abschiebehindernisse geltend zu machen. Von den etwa zweihundertfünfzig Insassen die,die JVA Büren im Monat wieder verlassen, werden etwa fünfzig Gefangene nicht abgeschoben, sondern entlassen, um sich bei deutschen Ausländerbehörden zu melden.

 

Die Unterbringung der Zugänge auf der Zugangsabteilung erfolgt in der Regel in Gemeinschaftszellen, wobei auf sprachliche, religiöse und kulturelle Gegebenheiten Rücksicht genommen wird. Alle Gemeinschaftszellen sind mit abgetrennten Sanitärbereich und einem Fernsehgerät ausgestattet. Der Fernseher dient nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zur Information über das Rückreiseland. Über eine Gemeinschaftssatellitenanlage können bis zu achtundzwanzig verschiedene, überwiegend ausländische Programme empfangen werden. Weitere Informationen kann der Gefangene durch das frei zugängliche Telefon erhalten, sofern er über Telefonkarten verfügt. Allen anderen Gefangene steht ein Zugangstelefonat auf Landeskosten zu.

 

Auf der Zugangsabteilung bleiben die Gefangen nur wenige Tage. Die Zeit wird genutzt, um sich ein Bild des Menschen und seine speziellen Probleme zu machen und natürlich, um ihn besser einschätzen zu können. Besonders wichtig für uns ist die Information, welche Einstellung zur Abschiebung selbst vorhanden ist. Wird der Gefangene sich der Abschiebung mit Gewalt widersetzen oder reagiert er auf die Mitteilung des Abschiebetermins mit einer Selbstverletzung? Welche Hilfen können angeboten werden, um diese Reaktionen zu vermeiden? Alles wird in einem Zugangsgespräch schriftlich festgehalten und bei einer Verlegung auf eine normale Abteilung, auf die Jugendabteilung oder auf die Intensivbetreuungsabteilung als Information der aufnehmenden Abteilung zugeleitet. Erst nach dieser Verlegung, einige Tage später, werden in einem Zweitgespräch (Anamnesegespräch) die bereits erhaltenen Informationen überprüft und vertieft. Oftmals werden erst jetzt Hilfewünsche geäußert, die bei der Einlieferung noch nicht vorhanden oder einfach in der Aufregung vergessen wurden. Oft ist der Wunsch nach Schreibhilfe bei den verschiedensten Anträgen vorhanden oder auch nur, dass der Haftbeschluss einem bereits beauftragten Rechtsanwalt zugefaxt werden soll.

 

5. Die Rechtsberatung

Eines unserer Hilfsangebote ist die für den Gefangenen kostenlose Rechtsberatung durch einen außenstehenden Rechtsanwalt. Hier kann der Gefangene seinen Fall vortragen und die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse überprüfen lassen. Es wird bei Bedarf ein Dolmetscher für diese Unterredung gestellt. Die Beratungs- und Dolmetscherkosten werden vom Land Nordrhein-Westfalen getragen. Es findet in der Regel nur eine Beratung und keine Vertretung vor Gericht statt. Es ist aber üblich, dass für diese Beratungsgebühr auch Schriftsätze gefertigt werden. Weitergehende Leistungen muss der Gefangene selbst bezahlen.

 

6. Die Besuchsabteilung

Die Organisation der Rechtsberatung wird von dem Personal der Besuchsabteilung durchgeführt, da die Beratung in den Räumlichkeiten der Besuchsabteilung stattfindet. Ein Beamter ist für den reibungslosen Ablauf verantwortlich und hat Sicherungskräfte als Mitarbeiter zur Verfügung. Diese sind auch für die Zu- und Abführung der benötigten Gefangenen zuständig. In einer großzügig angelegten Besuchsabteilung haben die Abschiebungsgefangenen die Möglichkeit ohne direkte Überwachung an zwölf Einzeltischen mit ihren Besuchern zu sprechen. Besuchszeit ist , abgesehen von Samstags, täglich von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr als letzte Einlasszeit. Die Besuchszeit wird nicht begrenzt, es sei denn großer Andrang macht eine Einschränkung notwendig, sie kann täglich genutzt werden. Samstags findet kein Besuch statt, da an diesem Tag alle Gefangenen die Möglichkeit zum bargeldlosen Einkauf im Anstaltskiosk haben. Während des Besuchs können Besucher an Warenautomaten für sich und für die Besuchten, Getränke, Süßigkeiten und Zigaretten erwerben. Mitgebrachte Telefonkarten dürfen übergeben werden.

 

Nach dem Eintritt durch die Pforte wird durch Sicherungskräfte zunächst einmal festgestellt, ob sich die zu besuchen gewünschte Person überhaupt in der Anstalt befindet. Auch gibt es immer wieder Probleme bei der Identitätsfeststellung der Insassen, da einige der Abschiebungsgefangenen unter anderen Personalien in Abschiebehaft sitzen. Schließlich werden die Papiere der Besucher überprüft. Bei Unstimmigkeiten wird ein Beamter gerufen, da nur er über die Ablehnung eines Besuchs entscheiden darf.

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Die Besucher werden zunächst in einem Warteraum neben der Personenschleuse untergebracht, um dann durch einen Röntgenrahmen, wie am Flughafen zu gehen. Eine Durchsuchung der Besucher wird durch die Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens durchgeführt. Es stehen dafür jederzeit Sicherungskräfte beiderlei Geschlechts zu Verfügung. Nachdem den Besuchern auf freundliche Art die Regeln für Besuch erklärt wurden und ihnen die Bargeldeinzahlung, sowie das Geldwechseln ermöglicht wurde, werden  sie durch Sicherungskräfte zur Besuchsabteilung begleitet. Jeder Besucher darf Münzen im Wert von 15,00 € mit in die Besuchsabteilung nehmen. Nicht erlaubte Gegenstände werden in abschließbaren Fächern hinterlegt, für die der Besucher einen Schlüssel erhält. Auch hier werden sprachgewandte Sicherungskräfte eingesetzt, um die Kommunikation zwischen Besuchern und Mitarbeitern der Anstalt zu erleichtern.

 

7. Die Betreuung der Gefangenen

Der Donnerstagnachmittag ist ausschließlich für Betreuer des Vereins“ Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ vorbehalten. Diese Betreuer kommen regelmäßig  seit  zehn Jahren in die Anstalt um Einzelfallbetreuungen durchzuführen. Die Mitglieder sind christlich oder sozial motiviert und bieten neben menschlichem Beistand auch Hilfe bei der Kontaktaufnahme mit Behörden oder Organisationen. Sie lehnen die Abschiebehaft als solche ab, wollen aber den Inhaftierten zur Seite stehen und deren Sprachrohr sein. Durch ihre Kritik an Bestimmungen und Regeln der Anstaltsleitung und der Justizverwaltung  sind in vielen gemeinsamen Gesprächen Veränderungen zum Wohl der Inhaftierten durchgeführt worden. Berechtigte Kritik und Kontrolle sind wichtig um positive Veränderungen zu bewirken und werden als hilfreich für die Entwicklung einer Justizvollzugsanstalt angesehen.

 

Da es in der JVA Büren keine justizeigenen Sozialarbeiter gibt, hat man auch hier den Weg der Privatisierung gewählt. Über die Firma European Home Care (EHC) werden soziale Dienstleistungen wie Einzelfallbetreuung, Koch- und Deutschkurse angeboten. Diese Leistungen wurden ausgeschrieben und über Zuwendungsrichtlinien geregelt und vergütet. Da auch hier ausschließlich Mitarbeiter ausländischer Herkunft eingesetzt werden, ist deren sprachliche und multikulturelle Kompetenz unbestritten. Deutsch lernen die Gefangenen nicht etwa, damit sie es bei der nächsten illegalen Einreise einfacher haben, sondern um sich mit uns Bediensteten besser verständigen zu können. Allerdings ist die Beschaffung von Informationen bei Behörden durch die Mitarbeiter der Privatfirma oftmals nur schwer möglich. Für diese Probleme und natürlich für viele weitere Fälle gibt es in der JVA Büren Sozialbetreuer aus den Reihen des Allgemeinen Vollzugsdienstes. Diese beamteten Betreuer haben die Aufgabe die Arbeit der privaten Betreuer zu koordinieren, zu unterstützen und Hilfe dort zu leisten, wo die Erfahrung eines Justizvollzugsbeamten erforderlich ist. Gerade bei der Durchführung von Beratungen im Bereich von Eheschließungen und der freiwilligen privaten Ausreise auf eigene Kosten von Inhaftierten ist die Ausbildung im Beruf des Vollzugsbeamten unerlässlich.

 

8. Die Intensivbetreuungsabteilung

Um dem besonderen Anspruch auf eine umfangreiche und gezielte Betreuung gerecht zu werden, wurde eine Intensivbetreuungsabteilung konzipiert. Hinter dieser Abteilung steht die Idee einer Arbeitsgruppe, Abschiebungsgefangene mit besonderem Betreuungsbedarf auf einer Abteilung zusammenzufassen und damit die anderen Abteilungen zu entlasten. Bei Gefangenen deren Abschiebetermin feststeht und kurzfristig durchgeführt werden muss, können besondere Probleme bei der Beschaffung von Habe und Auflösung von Wohnung, Konten und Versicherungen bestehen. Eine intensive zeitnahe Bearbeitung dieser Fälle ist

erforderlich, weil oftmals erst auf diese Weise eine unproblematische Abschiebung möglich wird. Aber auch Gefangene mit Persönlichkeitsstörungen finden auf dieser Abteilung Aufnahme. Benötigen doch gerade diese Gefangenen vermehrten Zuspruch, Aufmerksamkeit und Kontrolle.

 

Die Intensivbetreuungsabteilung ist  höchstens mit 35 Gefangenen belegt und verfügt über einen zusätzlichen Gemeinschaftsraum mit Wohnzimmercharakter und einen Tischtennisraum. Die Zellen werden tagsüber nur auf Wunsch der Gefangenen abgeschlossen, sodass sich die Bewohner dieser Abteilung frei bewegen können. Die Benutzung der Duschen, des Telefons und der Teeküche  regelt sich von alleine. Das entlastet das Abteilungspersonal von Schließ- und Lauftätigkeiten. Besonders Gefangene, die psychische Auffälligkeiten aufweisen, verändern ihr Verhalten durch die offene Abteilung positiv. Durch den Einsatz eines beamteten Betreuers zusätzlich zum Abteilungspersonal (eine Sicherungskraft und ein Beamter)steht ständig ein Ansprechpartner neben dem Abteilungsbeamten zur Verfügung. Ein Besuch beim Betreuer ist problemlos, ohne einen Antrag möglich. Da die Gefangenen auch in der Nacht weniger beengt untergebracht werden, wirkt sich diese Art des Vollzugs positiv auf das Verhalten aller Gefangenen aus. Übergriffe und Mafia-Strukturen sind bisher nicht beobachtet worden. Die Auswahl der Gefangenen erfolgt durch die Konferenz des Abteilungspersonals, das die Aufnahmeanträge der Zugangs- und Normalabteilung prüft. Ausgeschlossen sind Gefangene, die erkennbar eine Gefahr für Mitgefangene darstellen . Die Hafträume dieser Spezialabteilung wurden alle farblich gestaltet und wirken daher freundlich und wohnlich. Nach den positiven Erfahrungen auf dieser Abteilung wird nun auch eine Übernahme des Konzepts für die anderen Abteilungen überlegt. Bislang wurde hier der geschlossene Vollzug durchgeführt.

 

9. Die Jugendabteilung

Für die Unterbringung von jugendlichen und jungen Gefangen gibt es die Jugendabteilung. Auch hier werden weniger Gefangene als möglich untergebracht. Während die Normalabteilung bis zu siebzig Gefangene aufnehmen kann, sind auf der Jugendabteilung nur bis zu 30 Gefangene untergebracht. Für die Inhaftierung von Menschen zwischen sechzehn und achtzehn Jahren sind von der Landesregierung besondere Auflagen gemacht worden. Die Haftzeit im Beschluss ist auf sechs Wochen reduziert und die Ausländerbehörde ist gehalten, die Haftzeit besonders kurz zu halten. Vorrang hat die Unterbringung in einem Jugendheim.

 

Auf der Jugendabteilung gibt es mehrere Gemeinschaftsräume in denen  Videospiele betrieben, gemeinschaftlich Fernsehen geschaut oder Gesellschaftsspiele gespielt werden können. Unter Anleitung einer ausgebildeten Erzieherin einer Privatfirma werden hier die jungen Gefangenen sinnvoll beschäftigt. Da auch diese Gefangenen einen erhöhten Betreuungsbedarf haben, wird auch hier ein zusätzlicher Betreuer aus den Reihen des Allgemeinen Vollzugsdienstes zum Abteilungsdienst eingesetzt. Es wird durch die Bediensteten enger Kontakt mit den einzelnen Ausländerbehörden und den zuständigen Jugendämtern gehalten.

 

10. Arbeit und Arbeitstherapie

Die Abschiebungsgefangenen sind nicht zur Arbeit verpflichtet. Deshalb hat man in den ursprünglichen Überlegungen bei der Konzeption der Anstalt auf die Errichtung von entsprechenden Arbeitshallen verzichtet. In der Realität zeigte es sich jedoch bald, dass sich eine regelmäßige und freiwillige Beschäftigung positiv auf das Klima in der Anstalt auswirkt. Da viele Zugänge ohne oder nur mit geringen finanziellen Mitteln eingeliefert wurden, spielten sich gerade bei Rauchern entwürdigende Szenen ab. Sie bettelten um Zigaretten oder rauchten die Zigarettenstummel der Bediensteten weiter. Diese Situation änderte sich erst durch die Gewährung von Taschengeld  und durch ein Arbeitsangebot. Obwohl nicht vorgesehen, wurde durch das Personal ein Konzept für Gefangenenarbeit entwickelt. In den Kellerräumen der drei Hafthäuser wurden Arbeitsräume eingerichtet und zunächst ohne eine Personalverstärkung betrieben. Später wurde dann diese Einrichtung von den vorgesetzten Behörden anerkannt, als unverzichtbar festgeschrieben und mit Werkmeisterstellen ausgestattet. Für die Zukunft sind bei einer Anstaltserweiterung ordnungsgemäße Arbeitshallen vorgesehen, nicht zuletzt um später einmal „ normalen“ Strafvollzug durchführen zu können.

 

Für Gefangene, die aus den unterschiedlichsten Gründen für den Einsatz in einem Arbeitsbetrieb nicht geeignet sind, gibt es das Angebot der Arbeitstherapie. Da dieser Begriff jedoch negativ belegt ist (man ist schließlich nicht therapiebedürftig), wurde dieser Begriff durch das Wort Workshop ersetzt. Von nun an ging man gerne zum Workshop, da auch diese Tätigkeit bezahlt wird. Unter der Aufsicht von erfahrenen Beamten und privaten Mitarbeitern werden die Gefangenen sinnvoll beschäftigt. Es wird mit Holz gebastelt, mit unterschiedlichen Materialien gearbeitet, gemalt, und mit Formen werden aus Gips Figuren erstellt. Selbst das Nähen von einfachen Mützen kann man dort unter fachlich kompetenter Aufsicht lernen. Durch die reduzierte Anzahl von Gefangenen (15 Gefg.), bleibt genügend Zeit sich mit den einzelnen Menschen und deren Problemen zu beschäftigen.

 

11. Sport

Eine weitere Ablenkung von der Haftsituation ist die Möglichkeit sich an Sportgruppen oder an Aktivitäten auf der Freizeitabteilung zu beteiligen. Nach einem ausgefeilten Plan kann jeder Gefangene regelmäßig alle zwei Tage an der Sportfreizeit teilnehmen. Für jeweils eineinhalb Stunden kann man Fußball, Volleyball oder Basketball spielen oder nur in der Sonne liegen  und sich mit Mitgefangenen unterhalten. Leider gibt es nur ein Fußballfeld auf dem ehemaligen Appellplatz der Soldaten, so dass durch den Bodenbelag aus Asphalt bei Stürzen häufig oberflächliche Wunden entstehen. Auch  Knochenbrüche sind die Folge zu wilden Fußballspiels. Leider wird nicht nur aufgestauter Frust abgebaut, sondern es entstehen, wie beim Spiel in Freiheit, Konfrontationen zwischen den Spielern, die das Einschreiten der Bediensteten erfordern. Alle Freizeitveranstaltungen finden zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Freistunden statt. Arbeitende Gefangene werden dabei nicht benachteiligt!

 

12. Freizeit

Als Alternative zum Außensport dient die Freizeitabteilung. Diese Abteilung kann zusätzlich zu anderen Aktivitäten jeder Gefangene  täglich für mindestens eine Stunde nutzen. Eine normale Haftabteilung wurde dafür zur Freizeitabteilung umgerüstet und mit verschiedenen Sport- und Freizeitgeräten ausgestattet. So kann man Billard spielen oder Kicker, oder sich in der Muckibude beim Gewichtheben die Muskeln trainieren. Selbst Boxen und Gymnastik kann man betreiben. Auf dieser Abteilung befindet sich auch der Friseursalon, die Anstaltsbücherei und weitere frei zugängliche Telefone. Die Anstaltsbücherei verfügt über Bücher in über vierzig verschiedenen Sprachen und bietet zusätzlich verschiedene Tageszeitungen zur Einsicht und zum Ausleihen an. Die Zeitungen sind Spendenabonnemente der Verlage und daher für die Anstalt kostenlos.

 

Im Bereich der Freizeitabteilung ist auch eine komplette Küche, so wie eine Sitzgruppe mit Großbildfernsehschirm untergebracht. In der Küche können Gruppen von Gefangenen unter Anleitung der Mitarbeiter der Firma European Home Care ( EHC) verschiedene Gerichte ihrer Heimat kochen. Die Zutaten werden von EHC bezahlt und sind Bestandteil des Betreuungsangebots der Firma. Über den Großbildschirm werden Fußballländerspiele oder Videos in Landessprache der einzelnen Gefangenengruppen gezeigt.

 

13. Religiöse Betreuung

Einen großen Zeitraum nimmt auch die religiöse Betätigung ein. Für die unterschiedlichsten Gruppen gibt es spezielle Angebote, die gerne zur Besinnung genutzt werden. Für die Gefangenen aus Sri Lanka kommt bei Bedarf ein Prediger, der aufgrund der meist geringen Anzahl von Gefangenen seiner Glaubensrichtung in einem Nebenraum der Besuchsabteilung mit den Menschen gemeinsam betet. Ebenso betreuen die Zeugen Jehovas, Baptisten , Mennoniten regelmäßig unsere Abschiebungsgefangenen. Zusätzlich finden christliche Gottesdienste statt, die teilweise in den Landessprachen oder mehrsprachig durchgeführt werden. Auch die musikalische Begleitung der Gottesdienste sind für unsere Ohren ungewöhnlich. Mit Trommeln, Rasseln und rhythmischen Gesängen begleiten die schwarzafrikanischen Gefangenen ihren Prediger. Tiefe Religiösität ist zu erkennen und die Innbrunst, mit der die Gesänge vorgetragen werden, ist bewundernswert. Gerne werden Angebote der unterschiedlichen Glaubensgruppen von außerhalb angenommen, gemeinsam mit unseren Gefangen Gottesdienste zu gestalten. Auch das ist eine Form von Öffentlichkeitsarbeit, um anderen unsere Arbeit näher zubringen.

 

Die größte religiöse Gruppe ist islamischen Glaubens. Sunniten und Schiiten feiern gemeinsam unter der Leitung eines Imam aus Paderborn ihr Freitagsgebet. Bis zu achtzig Gefangene finden sich dazu in einem großen Mehrzweckraum ein, der nur mit Decken auf dem Boden, als Ersatz für Gebetsteppiche ausgestattet ist. Der Imam ist mit einem verzierten Umhang bekleidet und stellt für die Gefangenen eine Respektsperson da. In besonderen Fällen wird der Imam als Vermittler gebeten um einen positiven Einfluss auf die Gefangenen zu nehmen. So ist es mehrfach gelungen, Gefangene vom Hungerstreik abzubringen oder nach Selbstverletzungen zu stabilisieren.

 

14. Ausblick

Wir haben in der JVA Büren gelernt, dass auch Gruppen, die vordergründig entgegengesetzte Ziele haben, zum Wohl der Insassen miteinander arbeiten können, wenn sie sich gegenseitig respektieren und vertrauen. Dazu benötigt man viele Gespräche in offener Atmosphäre und einen ehrlichen Umgang miteinander. Großen Wert legt die Anstaltsleitung auf die möglichst breite Ausbildung des Personals. Es finden regelmäßig Hospitationen und Besuche bei den an der Abschiebung beteiligten Behörden statt. Eigene Fortbildungsveranstaltungen werden, auch durch die Vermittlung der Privaten Dienstleister, durchgeführt und erweitern den Horizont des Personals. Eine Bildungsagentur, bestehend aus allen Berufsgruppen der Anstalt, übernimmt die Koordinierung der Fortbildung.

 

 

Thomas Bongartz                                           Justizvollzugsamtsinspektor

                                                                        Justizvollzugsanstalt Büren
                                                                        Stöckerbusch 1

                                                                        33142 Büren

 
     
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